Monatsblatt

Apotheker wegen gestreckter Krebspräparate in Essen vor Gericht.

Nebenklageanwälten reicht Betrugsanklage der Staatsanwaltschaft nicht aus 


Mit Kritik von Nebenklägern an der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft hat am Montag in Essen einer der größten Arzneimittelprozesse der vergangenen Jahrzehnte begonnen: Wegen fast 62.000 Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz muss sich ein Apotheker aus Bottrop vor einer Wirtschaftsstrafkammer des Essener Landgerichts verantworten. Der 47-Jährige soll unter anderem in großem Stil Krebspräparate gestreckt haben.

Die Staatsanwaltschaft warf dem Mann zu Prozessbeginn versuchte Körperverletzung und Millionenbetrug zu Lasten der Krankenkassen vor. Die Anklage legte dem Mann am ersten Verhandlungstag zur Last, von Januar 2012 bis zu seiner Festnahme im November 2016 in insgesamt 61.980 Fällen gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen zu haben.

Neben der falschen Dosierung von Präparaten soll der Apotheker Peter S. auch Hygieneregeln und Dokumentationspflichten missachtet haben. Vertretern der nach Gerichtsangaben 19 Nebenkläger in dem Verfahren gingen die Vorwürfe nicht weit genug. Der Angeklagten habe sich womöglich auch des versuchten Totschlags schuldig gemacht, möglicherweise sogar des versuchten Mordes.

Es sei zu prüfen, ob der Apotheker nicht ein "vorzeitiges Ableben" der Patienten billigend in Kauf genommen habe, machten Nebenklage-Anwälte geltend. Sie beantragten, dass der Prozess daher statt von der Essener Wirtschaftsstrafkammer vor einer Schwurgerichtskammer stattfinden solle.

Über den Antrag entschied das Gericht am ersten Prozesstag noch nicht. Ebenso blieben die Entscheidungen der Kammer über eine Besetzungsrüge der Verteidigung sowie über einen Befangenheitsantrag der Nebenklage gegen einen Schöffen zunächst offen.

Der Apotheker soll laut Staatsanwaltschaft die fehlerhaften und damit wertlosen Arzneimittel monatlich mit den gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet haben. Die Anklage wertet dies als Betrug in einem besonders schweren Fall und beziffert den dabei entstandenen Gesamtschaden auf rund 56 Millionen Euro. Insgesamt soll der Apotheker die Kassen 59 Monate lang betrogen haben.

Von den gestreckten Krebspräparaten dürften nach Einschätzung der Anklage tausende Patienten in mehreren Bundesländern betroffen gewesen sein: Die Anklage spricht von einer Zahl im "niedrigen vierstelligen Bereich".

Der Angeklagte schweigt bislang zu den Vorwürfen. Er hatte laut Staatsanwaltschaft die behördliche Erlaubnis zum Betrieb eines Reinlaumlabors. Die Anlage will ihm in dem Verfahren nachweisen, dass er sich durch das mutmaßliche Strecken der Krebspräparate über Jahre hinweg eine "erhebliche, nicht nur vorübergehende Einnahmequelle" verschaffte.

So habe S. von 2012 an deutlich weniger der für die Herstellung der Krebspräparate notwendigen Wirkstoffe eingekauft als er eigentlich benötigt habe. Die Staatsanwaltschaft durchsuchte die Apotheke des in Essen geborenen Angeklagten am 26. November, dem Tag seiner Festnahme, und beschlagnahmte dabei 117 zur Auslieferung bereite Krebstherapien. Ein Teil davon erwies sich späteren Untersuchungen zufolge als unterdosiert.

Die Staatsanwaltschaft warf dem in Essen geborenen Apotheker bei der Verlesung der Anklageschrift zudem vor, er habe entgegen den Vorschriften für Reinraumlabore in den entsprechenden Räumen seiner Apotheke Alltagskleidung getragen. Auch habe er die Vorschrift verletzt, die Zubereitung der Krebsmittel in Protokollen detailliert zu dokumentieren.

Für den Prozess beraumte die Essener Strafkammer unter dem Vorsitzenden Richter Johannes Hidding bislang 13 weitere Verhandlungstage bis Mitte Januar an. Hidding kündigte allerdings an, dass das Gericht noch in dieser Woche Verhandlungstage bis in den März festlegen wird.

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